Die Letzten ihrer Art? – Auf den Spuren von Douglas Adams Teil II

Komodowaran
Foto: charles­js­harp, CC BY-SA 4.0

Wei­ter geht es auf den Spu­ren von Dou­glas Adams und Mark Car­war­di­ne zu „den Letz­ten ihrer Art“. Ihr nächs­tes Rei­se­ziel war die Insel Komo­do in Indo­ne­si­en, zwi­schen Sum­ba­wa und Flo­res gele­gen, Hei­mat des

Komo­do­warans
(Vara­nus komo­do­en­sis).

Es ist unmög­lich, eine Geschich­te über den Komo­do­wa­ran zu schrei­ben, ohne zu erwäh­nen, dass die­ser das leben­de Vor­bild des feu­er­spei­en­den Dra­chen der chi­ne­si­schen Mytho­lo­gie sei, was hier­mit gesche­hen ist. Aber obwohl es durch­aus mög­lich ist, dass chi­ne­si­sche Händ­ler auf ihren Fahr­ten in die indo­ne­si­sche Insel­welt schon vor lan­ger Zeit vom Komo­do­wa­ran erfah­ren haben, glau­be ich nicht, dass sie für ihre Mytho­lo­gie eines sol­chen rea­len Vor­bil­des bedurft hät­ten. Dra­chen gab es schliess­lich über­all: in Baby­lon, im Alten Tes­ta­ment und bei den Wikin­gern. Sei’s drum!

Gewiss wuss­ten aber die Ein­woh­ner der klei­nen Sun­da­in­seln von der Exis­tenz des Warans. Und auch die Hol­län­der hät­ten schon lan­ge davon wis­sen kön­nen. Schliess­lich kon­trol­lier­ten sie seit etwa 1600 den Gewürz­han­del auf der Ost­in­di­en­rou­te, nach­dem zuvor die Por­tu­gie­sen die­ses Mono­pol inne­ge­habt hat­ten. Und auch am Inter­es­se für die Tier- und Pflan­zen­welt die­ser exo­ti­schen Insel­welt man­gel­te es ihnen von Anfang an nicht. Das Gol­de­ne Zeit­al­ter der Nie­der­lan­de, als mit der Nie­der­län­di­schen Ost­in­di­en-Kom­pa­nie die ers­te Akti­en­ge­sell­schaft der Welt ent­stand und Hol­land über fünf­mal so vie­le Schif­fe ver­füg­te wie Eng­land, hat­te in den Kauf­manns­städ­ten zwi­schen Rhein­mün­dung und Zuider­zee eine Men­ge neu­rei­cher Kauf­leu­te her­vor­ge­bracht, die, anders als der Erb­adel, ihren Reich­tum nicht für die Ver­wal­tung ihres Gross­grund­be­sit­zes ein­set­zen konn­ten und daher buch­stäb­lich nicht wuss­ten, wohin mit dem gan­zen Geld. So ver­fie­len vie­le der Sam­mel­lei­den­schaft. Die einen deck­ten sich mit Gemäl­den ein, von denen in die­ser Epo­che Mil­lio­nen ange­fer­tigt wur­den. Ande­re ver­prass­ten ihr Ver­mö­gen bei der Spe­ku­la­ti­on auf Tul­pen­zwie­beln. Und wie­der ande­re leg­ten sich Kurio­si­tä­ten­ka­bi­net­te und Natu­ra­li­en­samm­lun­gen an.

Die Matro­sen und See­leu­te auf den Ost­in­di­en­fah­rern lern­ten schnell, dass sie für ihre Rei­se­mit­bring­sel – heu­te wür­de man Sou­ve­nirs sagen – in den hol­län­di­schen Hafen­städ­ten gute Prei­se ver­lan­gen konn­ten. Man wuss­te damals in Euro­pa nicht viel über exo­ti­sche Län­der, und prak­tisch alles, was von dort kam, war neu, über­ra­schend, unge­wöhn­lich und stau­nens­wert. Schon bald schlepp­ten die See­fah­rer nicht nur Kunst­ge­gen­stän­de und Arte­fak­te an, son­dern auch exo­ti­sche Tie­re und Pflan­zen. Aus­ge­stopf­te Vögel, vor allem Para­dies­vö­gel, Häu­te und Fel­le, Schne­cken­ge­häu­se und Muschel­scha­len, Ske­let­te, Schild­krö­ten­pan­zer, Koral­len, getrock­ne­te Schmet­ter­lin­ge, gepress­te Pflan­zen, Samen und Nüs­se – kurz, alles was Aus­sich­ten hat­te, die lan­ge Rück­rei­se zu über­ste­hen, wur­de mit­ge­nom­men und in der Hei­mat für gutes Geld an rei­che Samm­ler ver­kauft. Manch ein Matro­se mag da mehr ver­dient haben als durch sei­ne regu­lä­re Heuer.

Doch trotz die­ser Sam­mel­tä­tig­keit, die bis ins 18. Jahr­hun­dert anhielt und letzt­lich den Ursprung unse­rer heu­ti­gen Natur­kun­de­mu­se­en dar­stellt, gelang­te kein Komo­do­wa­ran nach Euro­pa. Auch als Coen­raad Jacob Tem­minck, der Grün­der des Rijks­mu­se­um van Natu­ur­li­j­ke His­to­rie in Lei­den, heu­te Natu­ra­lis, in der ers­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts die „Natu­ur­kun­di­ge Com­mis­sie van Neder­landsch Indie“ grün­de­te und eine gan­ze Genera­ti­on jun­ger Natur­for­scher im feucht­heis­sen Tro­pen­kli­ma Indo­ne­si­ens ver­schliss, dar­un­ter etli­che Deut­sche, blieb der Komo­do­wa­ran den Euro­pä­ern verborgen.

(Deutsch­land war damals kei­ne Nati­on und hat­te kei­ne über­see­ischen Besit­zun­gen. Deut­sche Natur­for­scher, die in Über­see arbei­ten woll­ten, muss­ten sich in Nach­bar­län­dern ver­din­gen. Von 14 Wis­sen­schaft­lern der Com­mis­sie star­ben neun in Indo­ne­si­en vor Voll­endung ihres 40. Lebens­jahrs, zumeist an Krank­hei­ten, dar­un­ter die Deut­schen Hein­rich Boie, Hein­rich Kuhl und Hein­rich Chris­ti­an Macklot.)

Wor­an lag das? Die Hol­län­der müs­sen die Geschich­ten der Ein­hei­mi­schen über eine gros­se, fleisch­fres­sen­de Ech­se, die sie über­setzt „Land­kro­ko­dil“ nann­ten, gehört haben. War­um haben sie ihnen kei­nen Glau­ben geschenkt? Viel­leicht, weil ihre Kul­tu­ren zu unter­schied­lich waren. Die Men­schen in Süd­ost­asi­en leben in einer Welt vol­ler Mons­ter, Geis­ter und Dämo­nen. Die Anthro­po­lo­gin Hild­red Geertz schreibt (zit. in Lutz & Lutz, 1997), dass

„… die Trenn­li­nie zwi­schen der Welt der Geschich­ten und der rea­len Welt nir­gend­wo in Bali klar gezo­gen ist. Tat­säch­li­che Begeg­nun­gen mit Dämo­nen und Zau­be­rern, Wun­der­hei­lun­gen, selt­sa­men Todes­fäl­len und geheim­nis­vol­len nächt­li­chen Erschei­nun­gen gehö­ren dort zum All­tags­tratsch… Die west­li­che Vor­stel­lung von „Mär­chen“ als ledig­lich wun­der­ba­rer oder erschre­cken­der Geschich­ten aus Phan­ta­sie­wel­ten, wo das Unmög­li­che pas­sie­ren kann, dürf­te den meis­ten Bali­ne­sen sehr fremd­ar­tig erschei­nen.“ (mei­ne Übersetzung)

Wen wun­dert es da, wenn die Hol­län­der den Geschich­ten über die Rie­sen­ech­sen nicht ener­gi­scher nach­gin­gen. Das waren bestimmt nur irgend­wel­che Mythen­we­sen! Dass die Über­brin­ger der Geschich­ten zu Über­trei­bun­gen neig­ten und den „Land­kro­ko­di­len“ Län­gen von bis zu 7 m andich­te­ten, war da nicht gera­de hilf­reich. Und so dau­er­te es bis ins frü­he 20. Jahr­hun­dert, bis jemand den Schlei­er über dem Geheim­nis der Rie­sen­ech­sen von Komo­do lüf­ten konnte.

Aller­dings war es wohl nicht der namen­lo­se hol­län­di­sche Pilot, der im Jah­re 1910 auf Komo­do not­lan­den muss­te und unver­mit­telt den Dra­chen gegen­über­stand. Für die Geschich­te, die auch Adams und Car­war­di­ne wie­der­hol­ten, und die sich fast wort­gleich über­all im Inter­net wie­der­fin­det, gibt es nicht den gerings­ten Beleg. Ver­bürgt ist nur, dass fast 20 Jah­re nach der wah­ren Ent­de­ckung ein eng­li­scher Pilot auf der Nach­bar­in­sel Sum­ba­wa einen gefan­gen gehal­te­nen Komo­do­wa­ran sah; eine Neu­ig­keit, die etwa so span­nend ist, wie ein in Chi­na umge­fal­le­ner Sack Reis, es aber doch in eine Lon­do­ner Tages­zei­tung schaff­te, und durch Ver­wechs­lung von Daten und Details zum Mythos des Bruch­pi­lo­ten-Ent­de­ckers geführt haben mag. Wer weiss.

Tat­säch­lich ver­lief die Ent­de­ckung eher pro­fan. Der auf der Nach­bar­in­sel Flo­res sta­tio­nier­te hol­län­di­sche Kolo­ni­al­be­am­te und Leut­nant der Infan­te­rie, J. K. H. van Steyn van Hens­broek, kann­te die Geschich­ten vom „boe­a­ja darat“, dem Land­kro­ko­dil und wuss­te, dass es im Wes­ten der Insel sowie auf Komo­do leben soll­te. Komo­do hat­te damals ver­mut­lich nur ein paar Dut­zend Ein­woh­ner, über­wie­gend Sträf­lin­ge, die der Sul­tan von Sum­ba­wa dort­hin ver­bannt hat­te. Es gab also eigent­lich wenig Anlass, die Insel mit ihrem für die Gegend erstaun­lich tro­cke­nen Kli­ma zu besu­chen, aber schliess­lich mach­te van Steyn van Hens­broek sich im Ver­lauf des Jah­res 1910 zu einer Inspek­ti­ons­rei­se dort­hin auf. Auf der Insel traf er zwei Euro­pä­er, von denen nur die Namen Kock und Alde­gon über­lie­fert sind. Sie bestä­tig­ten ihm, dass der „boe­a­ja darat“ wirk­lich exis­tiert, und gaben an, bereits meh­re­re Exem­pla­re erlegt zu haben. Bald sah auch van Steyn van Hens­broek sei­nen ers­ten Dra­chen, und es gelang ihm, ein gut 2 m lan­ges Exem­plar zu erlegen.

Da er nicht wuss­te, um was für ein Tier es sich han­del­te, zog er ihm die Haut ab und schick­te sie, nebst ein paar Beob­ach­tun­gen, die ihm Kock und Alde­gon mit­ge­teilt hat­ten, sowie einem Foto an den Major P. A. Ouwens, der damals Direk­tor des Zoo­lo­gi­schen Muse­um und des Bota­ni­schen Gar­tens in Bui­tenz­org, dem heu­ti­gen Bogor in Java, war. Sofort schick­te Ouwens ein paar erfah­re­ne Tier­fän­ger hin­ter­her, denen es mit Hil­fe der Dorf­be­völ­ke­rung gelang, zwei erwach­se­ne und zwei jun­ge Komo­do­wa­ra­ne lebend zu fan­gen und nach Bui­tenz­org zu brin­gen. Im Jah­re 1912 dann erschien sei­ne Erst­be­schrei­bung des Komo­do­warans, dem er den Namen Vara­nus komo­do­en­sis gab, zusam­men mit dem Foto van Steyn van Hens­bro­eks und einem wei­te­ren, das den grös­se­ren der lebend gefan­ge­nen zeigte.

Der erste wissenschaftlich bekannte Komodowaran.
Der ers­te wis­sen­schaft­lich bekann­te Komo­do­wa­ran. Foto: Public domain.

Die Ent­de­ckung erreg­te sofort Auf­se­hen. Schon nach kur­zer Zeit stell­te die nie­der­län­di­sche Kolo­ni­al­re­gie­rung den Waran unter Schutz, um Tro­phä­en­jä­ger fern­zu­hal­ten. Für den Lebend­fang waren Geneh­mi­gun­gen erfor­der­lich. Bereits im Jah­re 1926 gelang­ten die ers­ten Dra­chen in euro­päi­sche und ame­ri­ka­ni­sche Zoos, wo sie aller­dings nicht lan­ge am Leben blie­ben. Zwei davon wur­den im Ver­lauf einer Expe­di­ti­on des Ame­ri­can Muse­um of Natu­ral Histo­ry unter der Lei­tung von Dou­glas Bur­den gefan­gen – eher ein Jäger und Drauf­gän­ger als ein Wis­sen­schaft­ler, aber wohl­ha­bend, und er wuss­te für Publi­ci­ty zu sor­gen. So wur­de die Expe­di­ti­on von einem Kame­ra­mann der Pathé-Wochen­schau beglei­tet, der die ers­ten Film­auf­nah­men in der Natur anfer­tig­te. Die Auf­nah­men gin­gen um die Welt. Meri­an C. Coo­per, der Regis­seur von „King Kong und die wei­ße Frau“ (1933) und zufäl­lig ein Freund von Bur­den, soll eini­ge Ele­men­te des Rei­se­be­richts sogar in sei­nem berühm­ten Film ver­ar­bei­tet haben. Nichts­des­to­we­ni­ger gelan­gen aber auch die ers­ten aus­führ­li­chen Frei­land­be­ob­ach­tun­gen des Komo­do­warans wäh­rend die­ser Expedition.

Zum ers­ten Mal sah ich einen Komo­do­wa­ran Anfang der ´70er Jah­re, als ich zu Hau­se auf dem Sofa sass. Im Fern­se­hen lief damals die Sen­de­rei­he „Auf den Spu­ren sel­te­ner Tie­re“ des Tier­fil­mers Eugen Schu­ma­cher. Schu­ma­cher, der 1973 starb, ist heu­te kaum noch jeman­dem bekannt, doch er war einer der welt­bes­ten Tier­fil­mer sei­ner Zeit. Unter ande­rem gelan­gen ihm wohl als Ers­tem Film­auf­nah­men des sel­te­nen Java­nas­horn. In sei­ner Sen­dung sass er mit einem Gesprächs­part­ner in einem karg ein­ge­rich­te­ten Stu­dio, in mei­ner Erin­ne­rung Pfei­fe rau­chend und meist mit einem Anschau­ungs­ob­jekt von einer sei­ner Rei­sen dabei, z.B. einem Wal­ross­hau­er. Nach einem kur­zen Vor­ge­spräch, in dem auf das The­ma der aktu­el­len Sen­dung ein­ge­stimmt wur­de, ging Schu­ma­cher zu einem rie­si­gen Glo­bus, dreh­te ihn solan­ge her­um, bis das Ziel der Rei­se in Sicht kam, zeig­te mit dem Fin­ger dar­auf, und los ging’s! So erfuhr ich, noch bevor ich 10 Jah­re alt gewor­den war, was ein Komo­do­wa­ran ist.

In Schu­ma­chers Sen­dung sah man vor allem, was schon die Zuschau­er der Pathé-Wochen­schau Jahr­zehn­te zuvor gese­hen hat­ten. Zumin­dest erin­ne­re ich mich nur an dies eine: Wara­ne beim Fres­sen! Eine gan­ze Schar erschre­ckend gros­ser Ech­sen, die über und über mit einer Mischung aus Blut und Schlamm besu­delt waren, die ihre Köp­fe tief in die Lei­ber der Tier­ka­da­ver sties­sen, die man ihnen als Köder hin­ge­legt hat­te, um die Gedär­me her­aus­zu­reis­sen. Die­se Bil­der präg­ten für lan­ge Zeit mei­ne Vor­stel­lung, und offen­bar auch die vie­ler ande­rer Men­schen. Als nach der Grün­dung des Komo­do-Natio­nal­parks 1980 immer mehr Tou­ris­ten auf die ent­le­ge­ne Sun­da­in­sel kamen, woll­ten vie­le offen­bar genau die­se Sze­nen live erle­ben, und so errich­te­te die Park­ver­wal­tung eine Art Are­na mit Zuschau­er­rän­gen und begann, die Dra­chen dort regel­mäs­sig mit frisch geschlach­te­ten Zie­gen zu füt­tern. Als Dou­glas Adams und Mark Car­war­di­ne die Insel in den 1980ern besuch­ten, wur­den sie Zeu­ge die­ses Spek­ta­kels, das sie als „Hor­ror-Zir­kus­num­mer“ bezeich­ne­ten. Die schon damals umstrit­te­ne Pra­xis ist denn auch seit 1994 abgeschafft.

Fressende Komodowarane.
Fres­sen­de Komo­do­wa­ra­ne. Foto: Bri­ce Li. CC BY 2.0

Dabei sind Komo­do­wa­ra­ne gar nicht auf die Füt­te­rung mit Aas ange­wie­sen. Die erwach­se­nen Tie­re sind erfolg­rei­che Gross­wild­jä­ger, die sogar aus­ge­wach­se­ne Was­ser­büf­fel zur Stre­cke brin­gen kön­nen – wie man seit ein paar Jah­ren weiss, mit Hil­fe von Gift aus Drü­sen im Unter­kie­fer. Dane­ben bil­den Wild­schwei­ne, Timor­hir­sche und ver­wil­der­te Haus­tie­re ihre Haupt­beu­te. Das aller­dings wirft eine ganz inter­es­san­te Fra­ge auf, denn alle die­se Tie­re sind nicht auf Flo­res, Komo­do und den klei­nen Nach­bar­in­seln hei­misch. Erst vor etwa 5000 Jah­ren brach­ten Men­schen die ers­ten Haus­tie­re und irgend­wann auch Hir­sche auf die Insel. Wovon ernähr­ten sich die aus­ge­wach­se­nen Wara­ne vor­her? Der durch sei­ne Sach­bü­cher bekann­te Zoo­lo­ge Jared Dia­mond schlug 1987 vor, sie könn­ten sich von Zwerg­ele­fan­ten der Gat­tung Ste­godon ernährt haben, die bis vor 12.000 Jah­ren noch auf den Sun­da­in­seln ein­schliess­lich Flo­res vor­ka­men. Das erweckt phan­ta­sie­vol­le Vor­stel­lun­gen. Doch selbst wenn das stim­men soll­te, was bis­her nicht erwie­sen ist, was haben die Wara­ne in den 7.000 Jah­ren dazwi­schen gejagt? Es geht hier ja nicht um die Nah­rung der jun­gen und halb­wüch­si­gen Tie­re, die jede Art tie­ri­scher Nah­rung neh­men, die sie bewäl­ti­gen kön­nen. Viel­mehr müs­sen auch die gros­sen, aus­ge­wach­se­nen Exem­pla­re von über 2 m Län­ge satt wer­den. Klein­säu­ger, Eier, Mee­res­schild­krö­ten, Schlan­gen – all das steht sicher auf ihrem Spei­se­plan. Aber reicht das?

Die Fra­ge ist von Bedeu­tung, denn der Komo­do­wa­ran gilt als gefähr­de­te Art. Die IUCN stuft ihn seit 1996 als „gefähr­det“ (vul­nerable) ein, aber ohne nähe­re Anga­ben zu lie­fern, und die Ein­schät­zung ist drin­gend revi­si­ons­be­dürf­tig. Fast alle Quel­len sind sich jedoch einig dar­in, dass der Man­gel an Beu­te­tie­ren eine der gröss­ten Gefah­ren für den Komo­do­wa­ran dar­stellt. Die Wara­ne kom­men heu­te auf den bei­den grös­se­ren Inseln Komo­do und Rinca (gespro­chen: Rint­scha), auf den sehr klei­nen Inseln Gili Dasa­mi und Gili Motang sowie in zwei Gebie­ten im Wes­ten und Nor­den von Flo­res vor (also auf der Insel, auf der bis vor 60.000 Jah­ren noch der Homo flo­re­si­en­sis leb­te – auch er eine Beu­te des Komo­do­warans?). Auf der zwi­schen Komo­do und Rinca gele­ge­nen Insel Padar jedoch sind sie Ende der 1970er Jah­re aus­ge­stor­ben, und als Grund dafür wird meist der Man­gel an Huf­tie­ren auf der Insel ange­ge­ben. Wil­de­rei (auf Hir­sche und ande­re Huf­tie­re!) wird daher über­all im Natio­nal­park, der alle Inseln mit Aus­nah­me von Flo­res umfasst, ver­folgt. Doch wenn es zwi­schen 12.000 und 5.000 Jah­ren vor heu­te kei­ne Huf­tie­re auf den Inseln gab, wie haben sie dann über­lebt? Die Fra­ge scheint mir noch unbeantwortet.

Heu­te leben meh­re­re Tau­send Komo­do­wa­ra­ne im Natio­nal­park und auf Flo­res. Sucht man im Inter­net nach genaue­ren Zah­len, dann stösst man auf der­art kurio­se Wider­sprü­che, dass ich hier dar­auf ver­zich­te, sie wie­der­zu­ge­ben. Alles in Allem dürf­ten es zwi­schen 3.000 und 5.000 Exem­pla­re sein. Neben der Wil­de­rei auf ihre Beu­te­tie­re stel­len vor allem Brän­de und wil­dern­de Hun­de eine Gefahr da. Der Gross­teil ihres Lebens­rau­mes ist jedoch Natio­nal­park, und auch auf Flo­res wur­den Schutz­ge­bie­te ein­ge­rich­tet, die aber nicht so streng kon­trol­liert wer­den. Der Tou­ris­mus ver­schafft den Dör­fern der Regi­on jähr­li­che Ein­nah­men im sechs­stel­li­gen Bereich, auch nach­dem die Füt­te­run­gen ein­ge­stellt wur­den, von denen Dou­glas Adams und Mark Car­war­di­ne so ange­wi­dert waren. Die Men­schen vor Ort, deren Zahl lei­der immer mehr zunimmt, sind sich durch­aus des­sen bewusst, was sie den Wara­nen ver­dan­ken. Man darf also die Hoff­nung haben, dass der Komo­do­wa­ran überlebt.

 

Quel­len:

Auf­fen­berg, W. 1981. The Beha­viou­ral Eco­lo­gy of the Komo­do Moni­tor. Gai­nes­vil­le: Uni­ver­si­ty Pres­ses of Flo­ri­da, A Uni­ver­si­ty of Flo­ri­da Book. 406 pp.

Dia­mond, Jared M. 1987. Did Komo­do dra­gons evol­ve to eat pyg­my ele­phants?. Natu­re 326 (6116): 832. doi:10.1038/326832a0

Lutz, R. L. & Lutz, J. M. 1997. Komo­do: The Living Dra­gon. Salem, Or: DiMI Press.

Mit­chell, P. B. 1987. Here be Komo­do dra­gons. Natu­re 329, 111. doi:10.1038/329111a0

Mur­phy, J., Cio­fi, C. de la Pen­nou­se, C. & T. Walsh (2002): Komo­do Dra­gons – Bio­lo­gy and Con­ser­va­ti­on. Smit­h­so­ni­an Books, Washington.

Ouwens, P.A., 1912: On a lar­ge Vara­nus spe­ci­es from the island of Komo­do. Bul­le­tin du Jar­din bota­ni­que de Bui­tenz­org ser. 2, no. 6: 1–3. 

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